Samstag, 17. März 2012

Klischierte Bilder – Darstellung von Frauen in der journalistischen Berichterstattung

„Sigmar Gabriel – schon zum sechsten Mal trägt er den selben grauen Anzug!“ Seltsam befremdlich, diese an die Wand des Tagungssaals projizierte Meldung, deren Layout unverkennbar auf eine große deutschsprachige Tageszeitung verweist -– dort aber niemals erschienen ist: „Die habe ich selbst gebastelt“, erklärt Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha grinsend und erntet die ersten Lacher des Vormittagsworkshops, in dem es um die spezifischen Darstellungen von Frauen in der journalistischen Berichterstattung geht. Dieses fingierte Bild transportiert die Erkenntnis, dass eben auf solche Weise nicht über Männer berichtet wird – sie ist die Quintessenz dessen, was die Kommunikationswissenschaftlerin in ihrem Vortrag über über Spitzenpolitikerinnen in den Medien deutlich macht: „Angela Merkel hin oder her – Politik ist nach wie vor ein Männergeschäft!“
Das „great man model of leadership“ und andere klischierte Bilder, die eindeutig vergeschlechtlicht sind, werden medial weiterhin zementiert, wie Holtz-Bacha in ihrer Analyse der deutschsprachigen Medienlandschaft herausgefunden hat: „Damit machen die Medien Spitzenpolitikerinnen das Leben schwer.“
Laura Dornheim, Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha, Birgitta MSchulte, v.l.n.r (Foto: Tanja Krokos)
Stereotype Bilder und leidige Fragen, die in der Berichterstattung immer wieder auftauchen, wenn Frauen in politisch mächtige Positionen gelangen, hat Holtz-Bacha dabei in großer Zahl zusammengetragen, obwohl ihre Untersuchung weniger quantitativ denn vielmehr qualitativ angelegt ist: Das große Aufsehen darum, dass Angela Merkel mehrfach im offensichtlich identischen violetten Kleid zu festlichen Anlässen erschien, dient Holtz-Bacha dabei ebenso zur Illustration ihrer Thesen wie jenes um Hillary Clintons Frisurvariationen oder um die Einblicke unter Ursula von der Leyens Rock, welche die Familienministerin einst in der TV-Show „Wetten, dass...?!“ bot. „Die körperliche Erscheinung und die familiäre Situation spielen in der Berichterstattung über Politikerinnen eine deutlich größere Rolle als bei ihren männlichen Kollegen“, konstatiert die Professorin. „Weder werden Männer danach gefragt, wer sich während ihrer Arbeitszeit um die Kinder kümmert, noch werden sie verniedlichend beim Vornamen genannt.“ Die Frage nach Henne und Ei hält sie allerdings für eine müßige: „Politikerinnen präsentieren beziehungsweise inszenieren sich einerseits auf eine bestimmte Weise – andererseits haben sie natürlich keinen unmittelbaren Einfluss darauf, wie die Medien mit dieser Inszenierung umgehen.“

Deutlich wird dies etwa auch am GlobalMedia Monitoring Project 2010 (GMMP), das nicht nur auf Spitzenpolitikerinnen fokussiert, sondern vielmehr darauf, wie „gewöhnliche“ Frauen in den Medien erscheinen – und das dennoch ein ähnlich ernüchterndes Bild der Medienlandschaft zeichnet wie jenes, das Christina Holtz-Bacha zuvor präsentiert hat: „Weltweit finden wir Frauen in den Medien besonders häufig als Opfer, sei es von häuslicher Gewalt, von Verbrechen oder Kriegen“, erklärt Birgitta M. Schulte, Koordinatorin des Themenschwerpunktes Gendersensibilität beim deutschen Journalistinnenbund, die zentrale Ergebnisse der prominenten Studie vorstellt.
Die wirkmächtige mediale Konstruktion von Geschlechterbildern zwingt Frauen (und Männer!) dementsprechend in diverse Zwiespälte und Zwickmühlen beziehungsweise stellt sie vor die Wahl, diesen medial kolportierten konventionellen Bildern entweder zu entsprechen oder sich ihnen zu widersetzen – und damit andere Sanktionen zu riskieren: „Der französischen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royale wurde beispielsweise ausgerechnet ihre attraktive Weiblichkeit zum Verhängnis“, gibt etwa Holtz-Bacha zu bedenken. „Sie schien unvereinbar mit den gängigen Vorstellungen von politischer Seriösität.“

Angesichts dessen erscheint es als enorme Herausforderung sowohl für Politikerinnen als auch für „gewöhnliche“ Frauen, sich den aufgezeigten Klischees zu entziehen und den klischierten Darstellungen eine Alternative entgegen zu setzen. Vielleicht liegen die Möglichkeiten, selbstbestimmte Frauenbilder jenseits der beschriebenen Stereotype zu schaffen, ja auch abseits der etablierten Medien – etwa in Social Media Networks oder der Blogosphäre, wie eine Diskussionsteilnehmerin vermutet. Schließlich seien diese virtuellen Räume offener für Frauen, Migrantinnen und andere Menschen, die in den „großen“ Tageszeitungen und Fernsehsendungen keine Stimme haben.

Zum Video-Interview mit Prof. Dr. Holtz-Bacha

von Sonja Erkens, Autorin des Missy Magazines

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